Die Lichtinstallation „VOR>>RÜCK<<WÄRTS“ ist eine generative, ortsspezifische Arbeit, die sich mit den politischen, historischen und ideologischen Spannungen des Humboldt Forums auseinandersetzt – einem Bauwerk, das wie kaum ein anderes für die Widersprüche deutscher Erinnerungskultur steht. Zwischen barocker Repräsentationsarchitektur, sozialistischer Moderne und postkolonialem Ausstellungsdiskurs entfaltet die Arbeit ein poetisch-visuelles Vexierspiel über Zeit, Fortschritt und Deutungshoheit.
Mittels LED-beleuchteter Wortfragmente – „VOR“, „RÜCK“, „WÄRTS“ – und universeller Medienzeichen wie „>“, „>>“, „<“, „<<“ entstehen durch langsame, zufallsbasierte Steuerung 128 variable Konstellationen, die eine Lesbarkeit des Ortes in Bewegung versetzen. Die Installation erzeugt semantische Kippmomente zwischen Fortschritt und Rückschritt, Erinnerung und Projektion, zwischen technischer Symbolsprache und historischer Referenz.
Sie verweigert ein lineares Narrativ und hinterfragt scheinbar eindeutige Richtungen: Ist Rekonstruktion ein Rückgriff – oder ein Fortschritt? Was bedeutet „vorwärts“ im Kontext politisch motivierter Geschichtsbilder? In dieser Vieldeutigkeit schafft die Arbeit einen offenen Denkraum, der architektonische Form, ideologische Bedeutung und kollektives Gedächtnis ineinander verschränkt.
In diesem Spannungsfeld verweist die Arbeit auch auf den Slogan „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“, mit dem Erich Honecker 1989 die Fortschrittsrhetorik der DDR beschwor – während draußen die Demonstrationen für Veränderung begannen. Die zufällige Lichtlogik der Installation durchkreuzt diese Starrheit: Wenn Vorwärts- und Rückwärtspfeile gleichzeitig erscheinen, entsteht ein Raum für Reflexion und Neubewertung.
Formal nimmt „VOR>>RÜCK<<WÄRTS“ Bezug auf die Ästhetik des Palasts der Republik (Materialität, Farbton), während sie gleichzeitig in der Struktur der rekonstruierten Fassade des Humboldt Forums verankert ist. Diese Spannung zwischen Rückgriff und Reflexion, zwischen monumentalisiertem Gedächtnis und fluider Gegenwart, ist nicht nur Thema, sondern Prinzip der Arbeit selbst.
Aus dem Juryprotokoll: „Der an vergangene Werbeelemente erinnernde Entwurf entwickelt eine prägnante Präsenz auf der Fassade und ist in seiner ambivalenten Lesart sowohl eine gelungene künstlerische Intervention mit vielschichtigem Bezug zum Ort, zum Gebäude, als auch ein Kommentar zur gegenwärtigen Nutzung, indem er indirekt die Aufforderung enthält, das Gebäude zu erkunden. Vorspulen und Zurückspulen können gelesen werden als Blick in die Vergangenheit und Blick in die Zukunft. Die historische Assoziation zu den ersten Generationen von Kassettenrekordern und ihren Vor- und Rückspultasten, die sich wieder neuer Beliebtheit erfreuen, wird von Mitgliedern des Preisgerichts gleichermaßen als humoristischer, historischer wie zeitgenössischer Kommentar angesehen. Insgesamt wird der Entwurf in seiner widersprüchlichen und vor allem vielseitig abwechslungsreichen Lesbarkeit als interessanter Vorschlag angesehen.“